160 Mrd. Euro Schulden

Irlands Staatsdefizit explodiert

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Die Neuverschuldung liegt bei 32 Prozent - das ist Europa-Rekord.

Das irische Staatsdefizit ist wegen der Milliardenhilfen zur Bankenrettung förmlich explodiert. Die Regierung muss den angeschlagenen Banken mit weiteren 12 Mrd. Euro zu Hilfe eilen. Das Finanzministerium in Dublin korrigierte die Neuverschuldung am Donnerstag auf rund 32 Prozent drastisch nach oben, das ist fast dreimal so viel wie bisher angenommen und ein europaweiter Rekord. Die Euro-Länder und die Europäische Zentralbank (EZB) schlossen Rettungshilfen für Irland vorerst aus. Der Gesamtschuldenstand des Landes ist Ende des Jahres so hoch wie die gesamte Wirtschaftsleistung des Landes in einem Jahr - etwa 160 Mrd. Euro.

   Griechenlands Defizit liegt bei 13 Prozent

Zum Vergleich: Das hoch verschuldete Griechenland verzeichnete zuletzt ein Defizit von 13,6 Prozent.

 Rettungsschirm
Im Notfall könnte sich die irische Regierung unter den Rettungsschirm von bis zu 750 Mrd. Euro flüchten, den die Euro-Länder und der Internationale Währungsfonds (IWF) im Frühjahr aufgespannt hatten.

Die Rettung seiner trudelnden Banken bringt Irland damit immer stärker in Not. Die Anglo Irish Bank alleine werde bis zu 34 Mrd. Euro verschlingen, gab die Zentralbank heute bekannt. Finanzminister Brian Lenihan nannte die Zahl "erschreckend, aber beherrschbar". Die EU ist alarmiert. Allerdings müsse Dublin noch nicht den Euro-Rettungsschirm beanspruchen, um sich vor der Pleite zu schützen, sagte der Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker. "Es gibt derzeit keinen zusätzlichen Finanzierungsbedarf für den irischen Haushalt."

 Die Anglo Irish Bank hat das Land schon 23 Mrd. Euro gekostet. Der Gesamtbetrag werde aber "mindestens 29,3 Milliarden betragen", erklärte die Zentralbank. Unter schwierigen Umständen könne die Rechnung auf 34 Mrd. Euro steigen.

Es ist aber nicht der einzige Brocken: In die Allied Irish Banks wird Dublin weitere 3 Mrd. Euro stecken müssen. Das Auffangen der Irish Nationwide kostet zusätzliche 2,7 Mrd. Euro und damit doppelt so viel wie zunächst veranschlagt, wie Lenihan mitteilte. Wegen der enormen Summen wird das Defizit heuer wohl auf das Zehnfache des im Euro-Stabilitätspakt erlaubten Werts steigen.

Lenihan erklärte weiter, die Regierung erwarte auf der Grundlage der Berechnungen der Zentralbank, dass sie insgesamt 45 Mrd. Euro zur Rettung von fünf Banken ausgeben müsse. Damit zahlt jeder Ire - vom Baby bis zum Greis - 10.000 Euro für die Rettung der Banken. Das meiste davon wird in diesem Jahr als Regierungsausgabe verbucht, womit ein einmaliges Defizit von einem Drittel der Wirtschaftsleistung entsteht, was einmalig in Europa für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist.

 "Es gibt eine Besorgnis, aber keinen Grund, über die Besorgnis hinauszugehen", sagte IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn, am Rande eines EU-Finanzministertreffens in Brüssel. Wird die Belastung aber zu hoch und gelingt es Irland nicht mehr, sich frisches Geld zur Bedienung seiner Kredite am Markt zu besorgen, könnte sich Dublin als erstes Land unter den im Mai aufgespannten milliardenschweren Euro-Rettungschirm begeben.

   Der Chef des Rettungsfonds, Klaus Regling, betonte in Brüssel, das Hilfsinstrument sei sofort einsatzbereit. Die EU-Kommission will Dublin aber drängen, sich aus eigener Kraft zu retten. Währungskommissar Olli Rehn begrüßte die Stützungsmaßnahmen für den Bankensektor. Nach seinen Worten ist die Situation "zu managen". Allerdings unter der Bedingung, dass Irland bis November einen mehrjährigen Plan zur Sanierung des Haushaltes vorlegen wird. Darin müsse Dublin sich verpflichten, sein Defizit von mehr als 30 Prozent bis 2014 wieder unter die 3-Prozent-Obergrenze zu drücken. "Die Glaubwürdigkeit Irlands hängt von dem Vier-Jahres-Plan ab", mahnte auch der Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet.

 Der Finanzminister, der wie Ministerpräsident Brian Cowen innenpolitisch massiv unter Druck steht, beharrte auf seiner Aussage, Irland wolle bis 2014 das Defizitziel der EU von nur 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erfüllen. "Wir haben einen verlässlichen Weg eingeschlagen", sagte er in Dublin. Anfang November soll ein "Rahmenhaushalt" für die Jahre bis 2014 vorgelegt werden. Frisches Geld will Lenihan nicht wie geplant noch im Herbst, sondern erst im nächsten Jahr aufnehmen. Irland muss derzeit enorme Risikoaufschläge auf seine Staatsanleihen von mehr als 4 Prozentpunkten über der Rendite deutscher Anleihen zahlen.

    Irland gehört unter den Staaten zu den größten Verlierern der Finanzkrise und ist in der EU eines der sogenannten PIIGS-Länder (Portugal, Irland, Italien, Griechenland, Spanien), denen das Wasser bis zum Hals steht. Allerdings ist Irland zumindest nach Einschätzung der Ratingagenturen immer noch der Einäugige unter den Blinden. Standard & Poor's (S&P) etwa hat Irland mit dem Rating AA-versehen und damit besser eingestuft als Portugal, Griechenland und Italien. Wichtigster Grund für die hohe Verschuldung Irlands ist der infolge der Finanzkrise notleidende Bankensektor.

     Irland hatte mit mit Duldung der EU eine staatliche Bad Bank gegründet, die mit erheblichen Preisabschlägen faule Kredite aufkaufte. Dort lagern derzeit faule Kredite im Wert von 27 Mrd. Euro. Insgesamt könnte sich die Rechnung für die staatliche Rettung der Banken auf bis zu 90 Mrd. Euro summieren, errechnete Standard & Poor's. Ohne die am Donnerstag bekanntgewordenen neuen Kapitalanforderungen belaufen sich die Stützungsmaßnahmen derzeit auf rund 33 Mrd. Euro.
 

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