Madoff-Skandal

Megaklage gegen Wiener Banker

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Bank-Medici-Eigentümerin Kohn soll eine Schlüsselrolle gespielt haben.

Der Masseverwalter des verurteilten US-Betrügers Bernard Madoff, Irving Picard, macht bei seiner Suche nach den verschwundenen Milliarden Jagd auf die Wiener Hochfinanz. Die Bankerin Sonja Kohn, Eigentümerin der ehemaligen Bank Medici, soll eine Schlüsselrolle bei Madoffs Machenschaften gespielt haben, sie habe den europäischen Geldadel angezapft, um stets frisches Geld in Madoffs Schneeballsystem zu pumpen, wirft ihr Picard in einer Klage vor, die er am Freitag in den USA eingebracht hat. Kohn sei aber nicht allein gewesen, bereichert hätten sich auch die Bank Austria und deren Mailänder Mutter, die UniCredit, wie es explizit heißt. Insgesamt verlangt der Opferanwalt 19,6 Mrd. Dollar Schadenersatz - so viel wurde noch nie zuvor von einem österreichischen Unternehmen gefordert. Die Bank Austria und Kohn sehen sich als Opfer von Madoff.

Who-is-who der Wiener Bankenszene
Die Liste der Beschuldigten liest sich wie ein Who-is-who der Wiener Bankenszene: Angeführt ist etwa der Ex-Bank-Austria-Boss Gerhard Randa, der Kohn bei der Beschaffung einer Banklizenz für die Bank Medici geholfen haben soll, der ehemalige Chef der Wiener Börse, Stefan Zapotocky, der Ex-Bank-Austria-Vorstand Willi Hemetsberger und sogar der mächtige langjährige Boss der UniCredit, Alessandro Profumo.

Schwere Anschuldigungen gegen Sonja Kohn

Im Zentrum der Klage steht die 62-jährige Sonja Kohn, auch bekannt unter den Namen "Sonja Blau" oder "Sinja Türk": In ihr habe Madoff eine "kriminelle Seelenverwandte" gefunden, "deren Gier und unehrlicher Einfallsreichtum seinem eigenen ebenbürtig waren", wie Picard behauptet. Laut dem Opferanwalt können 9,1 Mrd. Dollar des durch die Machenschaften Madoffs gestohlenen Geldes "direkt" Kohn und ihren Verwandten zugeordnet werden sowie einem Labyrinth von Fonds und Banken in Österreich, Italien und Gibraltar.

Angeblich 62 Mio. Schmiergeld kassiert
Kohn, die von 1983 bis 1994 in den USA gelebt hat, soll laut Klage mindestens 62 Mio. Dollar Schmiergeld von Madoff kassiert haben, um Investoren für dessen Firma BLMIS zu finden.

Bank Austria vertrieb Madoff-Fonds
Bei ihrer Rückkehr nach Österreich hat sie jedenfalls gleich bei der Bank Austria angeklopft, der der Vertrieb von Madoff-Fonds offenbar sehr Recht kam, um die Expansion Richtung Osteuropa zu forcieren. Bald darauf sei der "Primeo Fund" gegründet worden, an der Idee sollen neben Kohn unter anderem Randa und Zapotocky beteiligt gewesen sein.

Wie sich später herausstellte, landeten die Gelder des "Primeo Executive" und "Primeo Select" allesamt bei Madoff, der diese aber nie veranlagt hat.

Die Bank Austria bzw. ihre ehemalige Tochter BA Worldwide hat mit Madoff-Feeder-Fonds ordentlich verdient: Laut Klage brachte ihr der "Primeo"-Fonds mindestens 55 Mio. Dollar, weitere 13 Mio. Dollar lukrierte sie aus dem "Thema International" und dem "Alpha Prime", für die sie als Investmentberaterin fungiert habe.

Picard: Bank Medici "De-facto-Ablegerin" der Bank Austria
Die spätere Gründung der Bank Medici ist laut Picard nur erfolgt, um noch mehr Gelder für Madoffs Feeder-Fonds einzusammeln, vor allem in Osteuropa, wo Kohn bestens vernetzt ist. Obwohl die Bank Austria nur eine Minderheit an Kohns Mini-Bank hielt, sei die Bank Medici die ganze Zeit über eine "De-facto-Ablegerin" der Bank Austria gewesen. Der Erhalt der Bankkonzession 2003 habe das "Illegal Scheme" Kohns vorangetrieben, so Picard. Von da an habe nämlich die Bank Medici ihre eigenen Madoff-Investment-Vehikel kreieren können, allen voran den größten Feeder-Fonds "Herald", der Madoff binnen fünf Jahren mit mindestens 1,5 Mrd. Dollar versorgt haben soll. Die Bank Austria, so Picard, habe davon profitieren können.

Bank Austria: "Mit aller Vehemenz" gegen Klage vorgehen

Wie groß die Erfolgsaussichten der bisher größten Schadenersatzklage in der Causa Madoff sind, vermag in Juristenkreisen noch niemand seriös zu beurteilen. Der Wiener Anwalt von Sonja Kohn, Andreas Theiss, meinte jedenfalls, dass die behaupteten Vorwürfe mit der Realität nichts gemein hätten, seine Mandantin Opfer von Madoff sei. Die Bank Austria will "mit aller Vehemenz" gegen die Klage vorgehen, ihr Mutterkonzern UniCredit will sich ebenfalls "auf entschlossene Weise" verteidigen. Österreichische Madoff-Opfer - betroffen sind hauptsächlich gut betuchte Privatiers, aber auch die Kärntner Tourismusholding und die steirische Gemeinde Hartberg - erhoffen sich indes Rückendeckung: Durch Picards Bedenken erführen die Anlegerverfahren gegen "das mächtige Gegenüber" Bank Austria eine gewisse Objektivierung, meinte der Wiener Anlegeranwalt Andreas Pascher.

 

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