Wiener Hbhf: RH-Kritik an U-Bahn-Planung

Teilen

Die Verkehrsanbindung des derzeit entstehenden neuen Wiener Hauptbahnhofs gerät erneut in die Kritik: In einem Rohbericht bemängelt der RH die lange Gehzeit zwischen Bahnhof und der U-Bahnlinie U1 und stellt die von der Stadt geplante Trassenführung der U2 am Hauptbahnhof vorbei infrage.

Auch geraten die Kosten der für das Areal vorgesehenen Standseilbahn in die Kritik. Der RH zweifelt deutlich an der momentan geplanten U2-Verlängerung vom Karlsplatz über den Rennweg, das Entwicklungsgebiet St. Marx in das Areal südlich des Hauptbahnhofes. Die Variante, die mit einem Unterfahren von Botschaftsarealen verbunden wäre, sei zumindest zeitaufwendiger in der Planungs- und Baudurchführung, "falls sich die Trassenführung nicht technisch überhaupt als undurchführbar erweisen sollte.

Die mit 669 Mio. Euro bezifferten Gesamtbaukosten werden daher nach Ansicht des RH voraussichtlich weiter ansteigen." Auch sei bei dieser geplanten Trassenführung die "Erschließungswirkung" zu gering, da das rechnerische Verhältnis von Einwohnern zu Arbeitsplätzen nur bei 1,05 liege, "und damit deutlich unter dem anzustrebenden Wert von 3,0". Es könnten also schlicht zu wenig Passagiere vorhanden sein.

U2-Anbindung präferiert

Die Anbindung des Hauptbahnhofs an die U2 träfe beim RH hingegen durchaus auf Verständnis: "Dennoch wäre nach Ansicht des RH auch die benutzerfreundliche Anbindung der U2-Verlängerung an den künftigen Hauptbahnhof unter der Vorgabe, vorhandene Linien des öffentlichen Verkehrs und wichtige Umsteigekontenpunkte zweckmäßig zu vernetzen, zu verstehen gewesen." Eine Alternative wäre nach Ansicht des Rechnungshofs die Schaffung einer Linie U5 zwischen Hernals und Gudrunstraße und der Führung der U2 Richtung Inzersdorf. Auch so seien "Überlastungserscheinungen" auf U1 und U6 zu vermeiden. Die Schlussfolgerung des Rechnungshofs: "Der RH empfahl, den Ausbau des U-Bahn-Netzes im Sinne eines Gesamtkonzeptes anhand von Kosten- und Wirksamkeitskriterien nochmals zu überdenken."

Auch die bisherige Konzeption der Anbindung des Hauptbahnhofs an die U1 mit der Station Südtiroler Platz wird kritisch hinterfragt. Zwar sei das Heranrücken des Bahnhofes an die U1-Station gut, "dennoch bewertete der RH die verbleibenden Gehzeiten von rund sechseinhalb Minuten als vergleichsweise hoch", heißt es in dem Bericht.

Auch hätten die Kosten der dafür vorgesehenen Passage nach einer Machbarkeitsstudie der MA 18 aus dem Jahr 2004 noch 35,5 Mio. Euro betragen, "doch gab der RH zu bedenken, dass deren Kosten mit Stand 2009 bereits auf 95,27 Mio. Euro geschätzt wurden."

Kritik an Standseilbahn

Ebenso bekommt der geplante Automated People Mover (APM), also die Standseilbahn, vom RH sein Fett weg. So weise dieser hohe Errichtungs- und Betriebskosten auf und im Gegenzug einen geringen Kostendeckungsgrad. Allerdings hätten sich die ÖBB gegenüber der Erste Bank, die am Areal ihre Zentrale errichten wird, vertraglich gebunden. "Ohne die vertragliche Verpflichtung, entweder die S-Bahn-Station Südbahnhof zu ertüchtigen oder ein leistungsfähiges alternatives öffentliches Verkehrsmittel zu schaffen, riet der RH im Hinblick auf die ohnedies gegebene hohe Erschließungsqualität sowie auf das hohe Kosten- und Terminrisiko von der Errichtung eines APM ab." Schließlich könne es angesichts eines zu überwindenden Höhenunterschieds von 21 m auch zu "Stauerscheinungen" und "unattraktiven Umsteigezeiten" kommen.

Die Grünen sehen sich bestätigt. Auch der RH rate von der Errichtung eines APM ab, betonte Verkehrssprecherin Ingrid Puller: "Weitaus kostengünstiger und effizienter können rund um den neuen Hauptbahnhof öffentliche bestehende Verkehrsverbindungen, durch Ausbau, Verlängerungen und Bevorzugsmaßnahmen attraktiver gestaltet und geschaffen werden, als durch diese Mini-Metro in Hochlage." Auch Sicherheitsbedenken äußerte die Grün-Politikerin: "Außerdem würde es zu gefährlichen Situationen kommen, in den ohnedies schmalen und engen Bahnsteigen der U1 Südtirolerplatz."

Wien reagiert befremdet

Die RH-Kritik hat Verkehrsstadtrat Rudolf Schicker verärgert zurückgewiesen: "Wir haben wenig Verständnis dafür, dass sich ein Kontrollorgan zu einem Planungsorgan entwickelt. Hier maßt sich der Rechnungshof etwas an, das nicht in seiner personellen Ausstattung Niederschlag findet." Man könne dies nur als politische Aussagen deuten.

Auch die faktische Kritik des RH entbehre in den meisten Fällen der Grundlage. Die Prognose, dass die Kapazität der U1 nicht ausreiche, werde nicht eintreffen: "Wir haben solche Unkenrufe auch bei der U6 gehört." Diese bewähre sich aber in Zeiten des Hauptbahnhof-Provisoriums am Standort Meidling: "Die rein rechnerische Überlegung ist immer anders zu sehen als die Praxis." Derjenige, der glaube, dass Kapazität bedeute, dass immer alle einen Sitzplatz in der U-Bahn hätten, der müsse ins Taxi umsteigen. Auch ziehe der RH weder die S-Bahn-Anbindung, noch den D-Wagen in seine Überlegungen mit ein.

Die Zweifel des RH, ob die geplante U2-Trasse unterhalb des Diplomatenviertels technisch überhaupt machbar sei und falls ja, ob der Kostenrahmen von 669 Mio. Euro halte, hält Schicker ebenfalls für unbegründet. Der Trassenführung seien lange Verhandlungen mit dem Co-Finanzier Bund vorausgegangen: "Die Republik Österreich wird sich wohl auch überlegt haben, wie das künftige Wiener U-Bahn-Netz gestaltet werden soll."
Die Generalplanung zur U2-Trasse sei noch nicht abgeschlossen, aber jetzt sei schon klar: "Technisch ist die Trassenführung machbar, inwieweit der Betrag hält, kann ich jetzt noch nicht sagen."

Die Conclusio ist für Schicker eindeutig: Man schaue sich alle Punkte des RH an, "aber eine Führung der U1 noch näher zum Hauptbahnhof ist technisch nicht herstellbar, und eine U2-Orientierung am Hauptbahnhof ist aus planerischen und technischen Gesichtspunkten nicht sinnvoll - daher wird das auch nicht kommen."

Kein Verständnis für U5-Vorschlag

Die Anregung des RH, die noch nicht existente Linie U5 zu bauen, nahm der Verkehrsstadtrat ebenfalls befremdet zur Kenntnis: "Hier ist das, was der Rechnungshof tut, in der Nähe der Fahrlässigkeit." In dieser Frage seien überhaupt noch keine Details wie Besitzverhältnisse oder Geologie geklärt.

Wenig Verständnis zeigte Schicker auch für die Bemängelung des 350 m langen Weges zwischen Hauptbahnhof und der nächsten U1-Station am Südtiroler Platz: "Plan lesen, Unterlagen anschauen, vielleicht selbst die Distanz abgehen, dann kommt man drauf: Die U-Bahn fährt natürlich dorthin." 350 m seien im internationalen Schnitt sehr gut. Beim alten Südbahnhof habe man 10 Minuten von Bahnsteig zu Bahnsteig benötigt, in Zukunft 6,5.

Und überhaupt eigen sei die Kritik des RH an der geplanten Standseilbahn, der er zu hohe Kosten und einen zu geringen Deckungsgrad beschieden hatte. "Ich kann überhaupt nicht verstehen, wieso ein Rechnungshof in einer so frühen Phase derart geharnischte Kritik auffährt." Man prüfe derzeit sorgsam und intensiv.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.