EU-Rettungsnetz kann Griechenlands Absturz nicht stoppen

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Im Zirkus muss das Sicherheitsnetz genau in der richtigen Höhe hängen: Tief genug, damit das Publikum die Seiltänzer gut sehen kann und ein Absturz furchterregend ist - aber gleichzeitig auch hoch genug, um gefährliche Verletzungen auszuschließen. Das von der EU aufgespannte Sicherheitsnetz für das hoch verschuldete Griechenland besteht diesen Test leider nicht.

Denn auf Beharren Deutschlands darf der Plan erst in Gang gesetzt werden, wenn das Land schon fast auf dem Boden aufgeschlagen ist. Und selbst dann ist eine einstimmige Entscheidung der 16 Euro-Staaten nötig - die Regierung in Berlin behält sich also für den Ernstfall ein Veto vor. Wie der IWF dabei wie beschlossen auch noch eine Ecke des Netzes halten soll, ist außerdem ungeklärt.

Es überrascht daher nicht, dass internationale Investoren Griechenland weiter in Gefahr wähnen: Viele Anleger trennen sich von den Staatspapieren des Landes, so dass die Kurse fallen und ihre Renditen steigen. Dadurch hat der Risikoaufschlag auf griechische Papiere in dieser Woche neue Rekordstände erreicht.

Während sich Investoren bei deutschen zehnjährigen Staatspapieren mit gut 3 % Rendite begnügen müssen, verlangen sie für griechische Papiere fast 7 %. Wenn sich Griechenland zu diesen Zinsen demnächst Milliarden am Finanzmarkt leihen muss, wird der Abbau des Defizits noch schwieriger. Schon Mitte Mai droht Ungemach: Dann steht die Refinanzierung von Anleihen über 8,5 Mrd. Euro an.

Die Marktreaktion signalisiert jedoch gleichzeitig, dass der EU-Rettungsplan genau die Ziele der deutschen Regierung erfüllt - den Euro zu stabilisieren und die Ansteckung anderer Länder der Euro-Zone zu verhindern. Deren Risikoaufschläge halten sich in Grenzen. Die EU hat dies erreicht, indem sie Griechenland unter Quarantäne gestellt hat, ohne jedoch dessen Probleme zu lösen.

Mit dem EU-Notfallplan könnte Griechenland tatsächlich den Schwarzen Peter gezogen haben: Drakonische Sparauflagen im IWF-Stil, allerdings ohne die normalerweise dazugehörigen billigen IWF-Kredite. Denn die EU-Einigung verbietet es dem Land faktisch, seine Rechte als IWF-Mitglied wahrzunehmen und dort direkt um Hilfe zu bitten. Stattdessen dürfte Unterstützung zunächst in Form eines Brückenkredites von einem anderen Land der Euro-Zone kommen.

Sowohl die EU als auch die Griechen hatten darauf gesetzt, dass die abschreckende Wirkung des Notfallplans ausreicht, um ihn nie aktivieren zu müssen. Wenn die Investoren die Sachlage in den kommenden Wochen nicht völlig neu bewerten, dürfte diese Rechnung nicht aufgehen. Der deutsche Zirkusdirektor scheint jedoch derzeit noch zufrieden, dem griechischen Seiltänzer weiter zuzuschauen, ohne das Netz höher zu hängen.

D: Bundesbank passt Griechenland-Notplan nicht

In der Deutschen Bundesbank regt sich Widerstand gegen den von der deutschen Bundesregierung maßgeblich gestalteten EU-Rettungsplan für Griechenland. Laut einem internen Papier, das der Frankfurter Rundschau vorliegt, verhindert der EU-Beschluss nicht, dass deutsches Geld nach Athen fließt.

Sobald - wie in dem Plan als letzte Möglichkeit vorgesehen - eine finanzielle Unterstützung des IWF für das Schuldenland erfolge, sei die Bundesbank dazu verpflichtet, "x Milliarden Euro direkt an das griechische Finanzministerium zu überweisen", heißt es in der Vorstandsvorlage.

Sauer aufgestoßen ist den Notenbankern offenbar auch, dass sie anscheinend bei der Ausarbeitung des Notplans für Athen nicht komplett mit im Boot waren. "Dieser Beschluss der Staats- und Regierungschefs der Eurogruppe, der nach unserer Kenntnis ohne Einbeziehung relevanter Notenbanken erfolgte, bringt Probleme mit sich, die aus stabilitätspolitischer Sicht nicht zu unterschätzen sind", zitiert die Zeitung weiter.

Banken bitten Athen um weitere Hilfen

Griechenlands Banken brauchen mehr Geld von der Regierung. Die wegen der Schuldenkrise belasteten Institute hätten um die Freigabe von weiteren 17 Mrd. Euro aus dem Rettungsfonds gebeten, sagte Finanzminister George Papakonstantinou. Die Regierung berate mit der Zentralbank darüber, wie die Mittel verteilt werden sollten.

Bankenkreisen zufolge haben sich die vier größten Institute des Landes mit der Bitte an die Regierung gewandt. Eine Entscheidung über die Verteilung werde bis Ende der Woche erwartet. Das insgesamt 28 Mrd. Euro schwere Paket war 2008 wegen der Kreditkrise von der konservativen Vorgängerregierung verabschiedet worden. Bei den bisher unangetasteten Mitteln handelt es sich vor allem um Kreditbürgschaften.

Die Not der Banken unterstreicht die Probleme der griechischen Wirtschaft, die in diesem Jahr voraussichtlich um 2 % schrumpfen wird. Wegen der Schuldenkrise des Euro-Landes haben viele Anleger griechische Bankenaktien abgestoßen. Der Branchenindex gab in diesem Jahr bereits 20 % nach. Die Skepsis an den Finanzmärkten erschwert den Banken zudem die Refinanzierung. Moody's senkte inzwischen die Bonitätseinstufung für 5 griechische Institute.

Bald mehr Klarheit über griechische Schulden

Die EU-Partner werden bald mehr Klarheit über das Ausmaß der griechischen Schuldenkrise bekommen. Die europäische Statistikbehörde Eurostat wird am 22. April die Defizit- und Schuldenwerte der EU-Länder für 2009 veröffentlichen, kündigte eine Sprecherin der EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel an. Sie reagierte nicht auf Gerüchte, wonach das griechische Defizit im vergangenen Jahr bei rund 14 % des BIP gelegen sein soll - und damit deutlich höher als die bisher gemeldeten 12,7 %.

Eurostat hat die aktuellen Schuldenschätzungen der Mitgliedstaaten erhalten und überprüft derzeit die Daten. Griechenland wird derzeit von der EU besonders überwacht und muss regelmäßig über die drastische Sanierung seiner Staatsfinanzen nach Brüssel berichten. Die Staats- und Regierungschefs hatten Ende März einen Plan vereinbart, um dem angeschlagenen Land im Ernstfall mit Finanzspritzen zu helfen.

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