Islands Finanzminister bezweifelt EU-Beitritt 2011

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Der Finanzminister der rot-grünen Regierung in Reykjavik, de facto Vize-Regierungschef Steingrimur Sigfusson, glaubt nicht daran, dass Island bis zum offiziell immer wieder genannten Wunschdatum Ende 2011 der EU beitreten wird. Er rechnet mit langen und schwierigen Verhandlungen mit Brüssel.

Für den Fall, dass sein Land schlussendlich der EU beitritt, sieht der 55-jährige Grün-Politiker Island trotz des immer noch nicht in seinem tatsächlichen Umfang bekannten Schuldenberges Island als Nettozahler. Island habe aus Brüssel "eher" Signale erhalten, dass die Frage über die Bedingungen zur Rückzahlung der rund 3,8 Mrd. Euro Schulden aus den so genannten Icesave-Konten der vor eineinhalb Jahren verstaatlichten Landsbanki den demnächst geplanten Start der Beitrittsverhandlungen nicht verzögern wird: "Ich glaube, das würde die EU in eine schreckliche Lage bringen."

"Ich denke auch nicht, dass wir noch besonders interessiert wären weiterzumachen, wenn wegen Icesave jetzt noch eine weitere Blockade entstehen würde", so Sigfusson. Sigfusson bezog sich dabei auf die derzeit eingefrorene, nächste Kreditrate der insgesamt im Rahmen einer Vereinbarung mit dem IWF versprochenen 5,6 Mrd. Dollar. "Ich meine, stellen Sie sich vor, was das für eine Verhandlungsatmosphäre wäre."

Grundsätzlich sei die EU immer noch am Beitritt Islands interessiert, beschreibt der bekennende EU-Skeptiker Sigfusson die Intentionen Brüssels. Ein über den EWR weitgehend in die EU integriertes, westliches Land wie Island oder Norwegen sei "natürlich viel einfacher zu handhaben als etwa jene eines osteuropäischen Landes, das viel größere Anstrengungen unternehmen muss, um für die Mitgliedschaft qualifiziert zu sein".

Island wird Nettozahler werden

Sigfusson rechnet damit, dass Island im Fall eines EU-Beitritts trotz des gegenwärtigen und vermutlich länger bestehenden Schuldenberges zu den Nettozahlern gehören wird. Island habe mit seinen natürlichen und humanen Ressourcen ein gewisses Gewicht, so der Finanzminister. "Darüber hinaus sind wir in den vergangenen Jahren im Guten wie im Schlechten ja ziemlich im Rampenlicht gestanden. Ich glaube, wir haben in unserer ganzen Geschichte noch nie so viel internationale Aufmerksamkeit bekommen - außer vielleicht als Reagan und Gorbatschow hier waren." Dies wiederum sei für den Tourismussektor ein äußerst willkommener Umstand.

Außerdem sei der Lebensstandard in Island trotz der Krise immer noch ein sehr hoher. "Es geht uns immer noch sehr gut. Ja, wir haben große Schulden, wir müssen sie zurückzahlen, wir haben schwierige Jahre vor uns, aber ich bin sicher, dass Island in fünf oder zehn Jahren wirtschaftlich wieder stark sein wird. Wir haben alles, was man braucht: den starken Fischereisektor, einzigartige Landschaft in einem sehr großen Land, wir haben grüne Energie, hoch technologisierte Unternehmen und wir haben eine hochausgebildete, hart arbeitende Jugend und kein Problem mit dem Pensionssystem."

Den von Regierungschefin Johanna Sigmundardottir immer wieder genannten und auch in Brüssel ventilierten möglichen EU-Beitritt gemeinsam Mit Kroatien im Jahr 2011 hält Sigfusson nicht für realistisch: "Ich denke, das wird ein langer Prozess. Das werden lange und schwierige Verhandlungen, besonders zu den Themen Fischerei und Landwirtschaft, natürliche Ressourcen und andere Dinge".

Im Übrigen sei der EU-Beitritt derzeit kein aktuelles Thema in der Öffentlichkeit, wehrt der Grünen-Chef ab. Am Ende der Verhandlungen, wann immer sie abgeschlossen seien, steht in jedem Fall eine Volksabstimmung. "So wie die Umfragen derzeit ausschauen, ist das keine sichere Sache. Das wird sich alles zeigen, wenn es so weit ist."

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