Milliarden-Schaden durch CO2-Emissions-Betrug

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5 Mrd. Euro Schaden sollen in den vergangenen 18 Monaten Täter verursacht haben, die mit dem Handel von CO2-Emissionen einen Mehrwertsteuerbetrug verübt haben. Das teilte die europäische Polizeibehörde Europol mit. Ziel war demnach das EU-Emissionshandelssystem ETS. Laut Europol dürften in manchen Staaten bis zu 90 Prozent des Marktvolumens für den Handel mit CO2-Emissionen auf das Konto von Umsatzsteuerbetrügern gehen.

MTIC (Missing Trader IntraCommunity Fraud) ist eine der die Ermittler derzeit am intensivsten beschäftigenden Kriminalitätsformen. Pro Jahr werden damit etwa 100 Mrd. Euro Schaden verursacht, so Europol-Experten im vergangenen Juni. Bereits damals wiesen die Spezialisten darauf hin, dass auch der CO2-Emissionshandel von den Kriminellen ebenfalls für den Umsatzsteuerbetrug genutzt wird.

Das Prinzip von MTIC ist denkbar einfach und macht sich zwei Besonderheiten des Mehrwert- oder Umsatzsteuerrechts in der EU zunutze. Einerseits fällt die Umsatzsteuer bei Geschäften von einem EU-Staat in einen anderen de facto weg. Sehr wohl aber wird sie bei Geschäften innerhalb eines Landes fällig. Andererseits hat man beim Abführen der Steuer eine bestimmte Frist, nämlich drei Monate für die Steuererklärung und ein weiteres für die Bezahlung, zur Verfügung.

Das bedeutet, dass die Finanzbehörde bis zu vier Monate auf das Eintreffen der Steuerzahlung warten muss. Selbst bekommt ein Käufer, der Mehrwertsteuer entrichtet hat, dieses Geld aber am Ende jenes Monats von der Finanz zurück, in dem das Geschäft getätigt wurde, also maximal innerhalb von 30 Tagen. Das Besondere an dieser Betrugsform ist, dass sie sich wie in einem Ringelspiel nahezu beliebig wiederholen lässt, daher auch der Name Karussellgeschäft oder -betrug.

Das Prinzip

Ein Beispiel: Eine in einem EU-Staat beheimatete Firma A verkauft Waren im Wert von 1 Mio. Euro an das Unternehmen B in einem zweiten EU-Staat, was für beide steuerneutral ist. B verkauft nun weiter an C und berechnet wegen der 20-prozentigen Mehrwertsteuer 1,2 Mio. Euro dafür. Die 200.000 Euro mehr müsste B innerhalb einer bestimmten Frist an sein Finanzamt abführen. Hingegen bekommt C die Mehrwertsteuer sofort rückerstattet. Innerhalb der ihm auferlegten Frist verschwindet nun B - deshalb auch der englische Begriff "Missing Trader" -, der Staat wurde um 200.000 Euro betrogen. C verkauft unterdessen die Ware steuerneutral zurück an die Firma A, und das Spiel kann von neuem beginnen. Nicht einberechnet wurden natürlich auch allfällige Maßnahmen zur Verschleierung der Konstruktion, etwa das Verlangen höherer Preise, um einen Gewinn auszuweisen.

Dass die drei Unternehmen unter einer Decke stecken, ist meist der Fall, so die Europol-Experten. Das muss aber nicht so sein. Gerade bei umfangreicheren Karussellgeschäften werden gerne seriös arbeitende Firmen zwischengeschaltet, die von dem Betrug nichts merken. Für die gehandelten Waren gilt meist: wenig Volumen, hoher Wert. Dass CO2-Emissionen ebenfalls benutzt werden, liegt auf der Hand, denn für sie muss genauso Umsatzsteuer entrichtet werden.

Erste Aktivitäten wurden im Spätherbst 2008 auf diesem Sektor registriert, als verschiedene Börsen einen noch nie dagewesenen Anstieg im Handelsvolumen der Papiere für CO2-Emissionen (EUA für European Unit Allowances) registrierten. Im Mai 2009 erreichte das Marktvolumen mit mehreren hundert Millionen gehandelten EUAs, unter anderem in Frankreich und Dänemark, eine Spitze. Eine EUA, gültig für eine Tonne CO2-Emissionen, kostete zu diesem Zeitpunkt rund 12,5 Euro.

Um weitere Steuerverluste durch diese Betrugsform zu vermeiden, haben Frankreich, die Niederlande, Großbritannien und jüngst auch Spanien ihr Steuerrecht für diese Transaktionen geändert. Die Folge war laut Europol, dass das Marktvolumen für den Emissionshandel in diesen Ländern um bis zu 90 % zurückging.

Europol hat nun mit Unterstützung von Belgien, Dänemark, Frankreich, der Niederlande, Spaniens und von Großbritannien ein Spezialprojekt entwickelt, mit dem Informationen gesammelt und analysiert werden sollen, um die kriminellen Strukturen hinter dieser Betrugsform aufzudecken. Vermutet wird, dass die Täter bald in den Energiesektor, vor allem Strom und Gas, ausweichen werden. Europol-Direktor Rob Wainwright warnte davor, dass "diese kriminellen Aktivitäten die Glaubwürdigkeiten des Emissionshandelssystems der Europäischen Union gefährden" und zu signifikanten Steuereinbußen für die Regierungen führen.

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